Ein weltweit tätiger Kunststoffverarbeiter hat mit Bausteinen der digitalen Temperierung eines Spritzgießmaschinenherstellers ein eigenes Konzept zur Temperierung von Spritzgießwerkzeu-gen entwickelt. Mit der Digitalisierung der Temperierung geht der Verarbeiter einen Schritt wei-ter Richtung Industrie 4.0. Die Lösung ist dabei so erfolgreich, dass sie zum Gruppenstandard in allen Produktionsstätten werden soll.
Vor allem bei großen Bauteilen spielt die Temperierung im Hinblick auf Dimensionsänderungen und Verzug eine ganz wesentliche Rolle. (Bildquelle: Engel)
„Trotz aller Digitalisierung, der Erfolg wird bei uns von Menschen gemacht, wie dieses Projekt wieder gezeigt hat“, stellt Frank-Olaf Schütte, Technischer Leiter bei Georg Utz in Schüttorf gleich zu Beginn klar. „Wenn ich das ganze Team motivieren und mitnehmen kann, dann werden sich auch Menschen unterschiedlichen Alters für das Projekt DigitalisiiQerung begeistern. Die Älteren freuen sich, dass sie endlich das bekommen, wovon sie seit 20 Jahren träumen, und die jüngeren Mitarbeiter sind von der modernen Steuerung begeistert.“
„Utz ist ein klassisches Familienunternehmen mit dem Herz am richtigen Fleck“, führt Dr. Jan Giesbrecht, CTO der Georg Utz Holding in Bremgarten, Schweiz, die Unternehmensphilosophie weiter aus. „Wir legen hier sehr viel Wert auf Menschen und Mitarbeiter. Das ist nicht nur ein Leitbild, sondern wir gehen sehr aktiv mit diesem Thema um. Wir haben hier beispielsweise über 40 Auszubildende, die wir regelmäßig begleiten und die nach der Ausbildung ein duales Studium bei uns machen können. Gerade in der aktuellen Diskussion um den Kunststoff – obwohl wir ein reiner Mehrwegproduzent sind – liegt unser Fokus besonders darauf, nachhaltig und energieeffizient zu produzieren.“
Die Utz Gruppe mit Sitz im aargauischen Bremgarten ist international tätig, mit acht Standorten weltweit. Sie ist auf die Herstellung von Behältern für die Lagerhaltung und den Güterverkehr sowie Werkstückträgern und Paletten aus wiederverwertbarem Kunststoff spezialisiert. Mit 500 Mitarbeitern ist der Standort Schüttorf in Norddeutschland der stärkste der Gruppe. Dieser hat drei Produktionsbereiche, wobei der Bereich Spritzguss der größte ist.
Ingo Schohaus (links) und Jannik Vrielink haben das Projekt von Anfang an intensiv betreut und mit-entwickelt. (Bildquelle: Engel)
Die Idee, die hinter den neuen Fertigungsanlagen steht, ist im Rahmen einer Bachelorarbeit von Jannik Vrielink, ehemaliger Auszubildender und jetzt Prozesstechniker bei Utz, ausführlich betrachtet worden. Es ging um das Thema Moderne Kühlsysteme. „Wir sind in diesem Bereich in den letzten Jahren in unterschiedlichen Feldern gefordert worden, die Prozesse zu optimieren“, sagt Schütte. Dabei geht es um die Themen Rüsten, Energieeffizienz, Prozessstabilität und Nachhaltigkeit. „Das haben wir in unterschiedliche Projekte aufgeteilt und eines davon war die moderne Kühlung“, erklärt Schütte weiter. „Dafür haben wir eine Prototyp-Spritzgießmaschine im Vorfeld mit einem Kühlsystem ausgestattet und haben dort Erfahrungen sammeln können. So konnten wir, zusammen mit den Erkenntnissen aus der Bachelorarbeit, für die neuen Maschinen ein fertiges Paket umsetzen.“
Ein Ergebnis der Bachelorarbeit war, dass oft gar nicht so viel Temperierung benötigt wird wie analog eingestellt. In Versuchen stellte Vrielink fest, wie weit der Durchfluss reduziert werden kann, ohne dass die Qualität eines Bauteils leidet. So konnte der Energieverbrauch im zweistelligen Prozentbereich gesenkt werden.
Das Thema Kühlung wurde beim Verarbeiter bisher analog gehandhabt. „Die Wassermengen wurden mittels eines klassischen Volumenstromreglers mit Schauglas an der Maschine von Hand eingestellt“, berichtet Schütte. „Wir hatten bisher keinerlei Möglichkeit, diese Prozesse zu kontrollieren. In diesem Schritt, Kühlung und Temperierung zu digitalisieren, sehen wir ein sehr großes Potenzial für die Zukunft. Wir wollen aber zukünftig nicht nur hier am Standort, sondern in der ganzen Gruppe das Thema Kühlung transparenter gestalten und daher die Digitalisierung weiter vorantreiben.“ In diesem Zusammenhang wurde bei Utz der Einsatz von E-Flomo von Engel, Schwertberg, Österreich, diskutiert und umgesetzt.
Kompakt integriert: Die Fertigungszellen sind mit elektrische Temperierwasserverteiler und Temperiergeräten ausgerüstet, die seitlich und hinter der Maschine Platz finden. (Bildquelle: Engel)
E-Flomo ist der elektronische Temperierwasserverteiler, der eine zentrale Rolle bei der Digitalisierung und Vernetzung der Werkzeugtemperierung in Engel Anlagen spielt. Die vom Anlagenbauer entwickelte Software IQ flow control regelt auf Basis der von E-Flomo ermittelten Messwerte die Durchflussmengen und passt den Temperierprozess dynamisch und selbstständig an die jeweiligen Prozessbedingungen an. Beim Einsatz von Engel E-Temp Temperiergeräten kann dies zudem die bedarfsabhängige Regelung der Pumpendrehzahl in den Temperiergeräten umfassen. Durch dieses Zusammenspiel macht es IQ Flow Control möglich, sehr hohe Temperierkonstanz mit hoher Produktivität und Energieeffizienz zu vereinen.
Der Grund, weshalb sich der Spritzgießmaschinenhersteller so intensiv mit der Temperierung befasst, liegt darin, dass die Werkzeugtemperierung einen wesentlichen Einfluss auf die Effizienz und Qualität des Spritzgießprozesses nimmt, der in der Praxis aber oft zu wenig beachtet wird. „Wir haben bei vielen unserer Kunden hier schon einen Umdenkprozess anschieben können“, sagt Klaus Tänzler, Produktmanager Temperierung bei Engel. „2010 sind wir mit dem Flomo in das Thema Temperierung eingestiegen. Bei dem klassischen Temperieren arbeitet man mit einem statischen Durchfluss. Hat man am Werkzeug sechs Temperierkanäle und bei einem ändert sich was, ändert sich bei allen der Durchfluss. Mit unserem dynamischen System können wir jetzt auf die Veränderung reagieren und alle Kanäle ausgleichen.“ Der Maschinenbauer arbeitet kontinuierlich intensiv an diesem Thema, was die Weiterentwicklungen E-Flomo, E-Flomo premium, IQ Flow Control und E-Temp zeigen. Als Systemlieferant zählt Engel die kontinuierliche Optimierung des Temperierprozesses zu seinen Kernkompetenzen und treibt deshalb die Digitalisierung in diesem Bereich aktiv voran.
Das auf E-Flomo und IQ Flow Control basierende Konzept, welches die beiden Unternehmen in den letzten anderthalb Jahren entwickelt haben, wurde an insgesamt vier baugleichen Fertigungszellen umgesetzt. An jeder 1.000-Tonnen-Spritzgießmaschine sind so viele E-Flomos verbaut wie bislang in keinem anderen Projekt des Maschinenherstellers. Sie wurden äußerst kompakt angeordnet, seitlich und auch hinter der Maschine. Pro Maschine kommen mehrere Temperiergeräte zum Einsatz, die ebenfalls seitlich und hinter der Anlage Platz finden. Bis zu 60 Temperierkreisläufe an einem Werkzeug werden versorgt. Engel hat das System so konfiguriert, dass für jeden einzelnen Temperierkreis über das Maschinenbedienpanel zwischen den Betriebsarten Kühlen, Heizen, Leckstoppbetrieb und Ausblasen umgeschaltet werden kann, ohne eine einzige Schlauchkupplung umstecken zu müssen.
Die globale Idee hinter dem Temperierkonzept von Utz ist, dass der Einrichter die Einstellungen nicht mehr manuell vornimmt, sondern dass die Einstellungen rund um Kühlung und Temperierung komplett in der CC300 Steuerung der Spritzgießmaschinen integriert sind. Bei einem Rüstwechsel oder einem kontinuierlichen Fertigungsprozess kann der Maschinenbediener diese Parameter aufrufen oder in der laufenden Produktion kontinuierlich überwachen.
„Nachhaltigkeit bedeutet für uns nicht nur Rüstzeitoptimierung und Ausschussreduzierung, sondern auch, dass das Rüsten für unsere Mitarbeiter einfacher wird“, sagt Schütte. „Wenn ich das Rüsten manuell durchführe, habe ich immer eine gewisse Fehleranfälligkeit. Liegen die Daten in der Steuerung vor und werden automatisch übernommen, so kann ich den optimalen Prozess ohne Fehler immer wiederholen. Beim Starten einer Maschine reduziert sich der entsprechende Ausschuss deutlich.“ Und auch während der Fertigung ist es das ganz klare Ziel, Ausschuss zu vermeiden.
Von links: Jannik Vrielink, Prozesstechniker, Josef Krnak, Fertigungsleiter Spritzguss und Ingo Scho-haus, Kunststoffverfahrensmechaniker (alle Georg Utz), Klaus Tänzler, Produktmanager Temperierung, Engel Austria, Christoph Hölscher, Vertriebsingenieur, Engel Deutschland, Frank-Olaf Schütte, Tech-nischer Leiter bei Georg Utz und Dr. Jan Giesbrecht, CTO der Georg Utz Holding.(Bildquelle: Engel)
„Wichtig bei unseren Maschinen ist, dass sie universell einsetzbar sind“, spricht Schütte ein weiteres zentrales Thema an. „Auf jeder Maschine kommen verschiedene Werkzeuge zum Einsatz. Flexibilität ist bei uns sehr wichtig. Die Maschinen sind alle gleichartig und jede muss in der Lage sein, die jeweiligen Prozesse eins zu eins zu reproduzieren.“ Zu den besonders anspruchsvollen Produkten gehören große, dünnwandige Behälter aus Polyethylen. Eine hohe Stabilität ist hier entscheidend, um Verzug zu vermeiden.
Polyethylen und Polypropylen machen den Löwenanteil der in Schüttorf verarbeiteten Rohmaterialien aus. Hinzu kommen elektrisch leitfähige Polymere und eine Vielzahl an Rezyklaten. Oft werden im schnellen Wechsel in ein und demselben Werkzeug verschiedene Materialien verarbeitet, die unterschiedliche Werkzeugtemperaturen erfordern und dies zum Teil nur in einzelnen Temperierkreisen. „Dank der dynamischen Einzelkreistemperierung können wir innerhalb kürzester Zeit das Material wechseln und erreichen unmittelbar wieder einen stabilen Prozess“, sagt Schütte.
Ein weiteres Plus ist die höhere Prozesssicherheit. Denn Kühlkreisläufe können sich auch mal zusetzen. „Mit einer analogen Kühlung bekommt man das während der Produktion nicht mit“, so Schütte. „Überwache ich aber jeden Kreislauf einzeln, merkt man das frühzeitig und kann gegensteuern. Im digitalen System kann ich dafür Eingriffsgrenzen für Alarmsignale festlegen.“
Restwasser und Schmutz in den Temperierkanälen von Spritzgießwerkzeugen können zu Korrosion führen, was die Standzeit der Werkzeuge verkürzt und die Temperierkonstanz verringert. Vor dem Wechsel von Werkzeugen und Werkzeugeinsätzen werden die Kanäle deshalb mit Druckluft ausgeblasen. Herkömmlich ist dies ein manueller Prozess, der nicht nur viel Zeit in Anspruch nimmt, sondern ein Restrisiko birgt, da die Kanäle oft nicht gleichmäßig mit Druckluft durchströmt werden. Um hier für mehr Effizienz und Sicherheit zu sorgen, hat der Maschinenbauer den Funktionsumfang seines elektronischen Temperierwasserverteilersin der Premiumausführung um das automatisierte sequentielle Ausblasen der Verteilerkreise erweitert. „Durch die Automatisierung des Ausblasvorgangs können wir die Wartungsintervalle für das Werkzeug verlängern und die Instandhaltungskosten senken“, so Schütte. „Ein weiterer Benefit ergibt sich beim Aufspannen des Werkzeugs. Die neue Funktion stellt eine optimale Entlüftung der Temperierkanäle sicher, was von Beginn an für eine hohe Bauteilqualität sorgt.“
ist Public Relations Manager bei Engel in Schwertberg, Österreich.
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