MHR 1000 von Gerold Vogel - Kleinserie auf Basis der Mike Hailwood-Replika | MOTORRADonline.de

2022-03-18 03:27:25 By : Ms. yajie zhang

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Als die Königswellen-Ducatis längst Geschichte waren, legte der Schweizer Händler Gerold Vogel 1989 noch einmal eine exklusive Kleinserie auf Basis der Mike Hailwood-Replika auf. Diese 25 Ducati MHR 1000 verwandelte Vogel mit dem Segen von Fabio Taglioni zu gefragten Schmuckstücken.

Wie würde ein Banker heute wohl ­reagieren, wenn ein Motorradhändler bei ihm einen hohen sechsstelligen Kredit erbitten würde, um 50 Auslaufmodelle eines chronisch klammen Motorradherstellers zu kaufen? Die Chancen, diese Summe bewilligt zu bekommen, stünden vermutlich denkbar schlecht. Bei Gerold Vogel aus dem schweizerischen Weinfelden war das 1985 jedoch noch anders – er bekam den Kredit. Vielleicht, weil er Erfolg in seinem Business hatte. Vielleicht, weil es sich um die legendären Königs­wellen-Ducatis handelte. Vielleicht aber auch, weil solche Geschäfte für Banker damals noch ganz normal waren.

So konnte sich der Ducati-Händler das finale Kontingent von 50 Mike Hailwood-Replikas sichern. Die Hälfte der Maschinen ging im Serienzustand an Kunden, 25 Exemplare der vollverkleideten 1000er stellte sich Vogel jedoch erst einmal ins Lager. Denn er hatte eine Idee: Die wirklich letzten Maschinen dieser glorreichen Königswellen-Ära – Ducati war zu diesem Zeitpunkt bereits im Besitz der Castiglioni-Brüder und zum bloßen Motorenlieferanten für Cagiva-Modelle degradiert worden – sollten in einer exklusiven Kleinserie sowohl solvente Ducatisti erfreuen als auch ihren Schöpfer huldigen.

Also reiste Vogel nach Bologna, um Fabio Taglioni in seine Pläne einzuweihen. Der berühmte Ingegnere war spontan angetan von der Idee und sagte dem Schweizer seine Unterstützung zu. Es folgten zwei weitere Stippvisiten in Borgo Panigale, bei denen Vogel anhand von zahlreichen Zeichnungen die Fortschritte seines Projektes präsentierte. Das überzeugte Taglioni in ästhetischer Hinsicht so sehr, dass er es am Ende sogar mit seiner Signatur adelte – und zwar unentgeltlich. Was Vogel wie einen Ritterschlag empfand.

Nun galt es, die auf den vielen Skizzen festgehaltenen Ideen umzusetzen. Technisch wurden die Ducati MHR 1000 weitestgehend im Serienzustand belassen. Ganz bewusst, denn offene Vergaser mit angepasster Bedüsung und die ebenso durchsatzfreudigen wie klangstarken Conti-Tüten reichten nach Vogels Ansicht aus, um dem 1000er-L-Twin auf die Sprünge zu helfen. Der, so ist der glühende Ducati-Liebhaber überzeugt, war in seiner letzten Ausbaustufe zu einem fantastischen Triebwerk gereift. Mehr Hub und Bohrung verbesserten die homogen-kraftvolle Leistungsentfaltung des Königswellen-V2, während die Umstellung auf Kurbelwellen-Gleitlager, Nikasil-beschichtete Zylinder, Hauptstrom-Ölfilter und die hydraulisch betätigte Trockenkupplung sowohl der Laufkultur als auch der Standfestigkeit zugute kamen. „Mit den 1000er-Motoren hatten wir damals tatsächlich keinerlei Ärger mehr“, erinnert sich Vogel.

Was freilich nicht bedeutete, dass so eine Mike Hailwood Replica 1000 perfekt war. Insbesondere Fahrwerksunruhen nagten an ihrem Ruf, außerdem setzte die ausladende Verkleidung in Kurven früh auf. Beide Schwächen eliminierte der Schweizer Händler bei seiner exklusiven Kleinserie. Im Gegensatz zum deutschen Ducati-Importeur, der wie der TÜV ein zu schwach ausgelegtes Rahmendreieck für die Fahrwerksmisere verantwortlich gemacht hatte und dort Verstärkungen einschweißen ließ, sahen Vogels Mannen die Problemzonen anderswo: Mit besser dämpfenden Pirelli-Reifen und einem funktionierenden Lenkungsdämpfer konn­ten sie das Lenkerflattern eliminieren. Und mit der knapp geschnittenen, stabil fixierten Halbschale „lief die Ducati MHR 1000 mit den zuletzt verbauten Oscam-Rädern selbst bei 225 km/h auf dem Tacho wie auf Schienen“, bekräftigt Vogel.

Ein willkommener Nebeneffekt der stabilen Fiberglas-Verkleidung, die in erster Linie eigentlich nur die bei der Ducati MHR 1000 nach Ansicht vieler Ducatisti verloren gegangene Schräglagenfreit und Ästhetik wieder zur Geltung bringen sollte. Speziell Letzteres war dem Schweizer Ducati-Händler ein großes Anliegen. Denn bei seiner limitierten Edition, die als Hommage an den genialen Konstrukteur Taglioni gedacht war, musste dieser skulpturale Königswellen-Desmo-Twin einfach in seiner ganzen Pracht zu sehen sein.

Dem großen Meister schien dieser Ansatz jedenfalls gefallen zu haben, ziert doch seine eingravierte rote Unterschrift nicht nur den polierten linken Motordeckel, sondern auch das Schauglas des Königswellendeckels am hinteren Zylinder. Von Hand signiert hat Fabio Taglioni überdies alle Dokumente und die Echtheitszertifikate, die jedem der 25 Käufer zusammen mit dem ebenfalls unterschriebenen Sonderprospekt und einem Poster ausgehändigt wurden.

Klar, dass Gerold Vogel auch bei seinem eigenen Exemplar dieser Limited Edition alle Dokumente beisammen hat. Es ist die Nummer eins von 25 Ducati MHR 1000, wie die polierte Messingplakette mit dreidimensionaler Trikolore auf dem Heckbürzel verrät. Lässig lehnt die Duc auf dem von Gerold Vogels Truppe konstruierten Seitenständer, der rote Lack strahlt mit den vielen polierten Aluteilen des Motors im warmen Herbstlicht um die Wette, während Gerolds Bruder Urs den Desmo-Twin zum Leben erweckt.

Ein Knopfdruck genügt, und der V2 meldet sich mit einem kraftvollen, tieffrequenten Poltern aus den offenen Contis zur Stelle. „Die originalen Schalldämpfer ‚Marke Silentium’ waren weder fürs Auge noch für die Leistung der Bringer“, erzählt Gerold. Und betont, dass damals dennoch jeder Käufer neben der originalen Auspuffanlage auch alle anderen Serienteile mitbekommen hat, um die Exklusiv-Variante der Ducati MHR 1000 jederzeit wieder in den serienmäßigen Zustand zurückbauen zu können.

Das jedoch dürfte vermutlich keiner der 24 Käufer gemacht haben. Denn Vogels gelungener Umbau wirkt aus jeder Perspektive stimmig. Stundenlang könnte man sich diesen herrlichen Motor anschauen, dem die polierten Aludeckel ­einen edlen Touch verleihen. Schön gemacht auch Details wie der umgearbeitete linke Seitendeckel, aus dem der offene Trichter des hinteren Vergasers lugt. Genug bewundert, Urs will jetzt fahren. Und Dave endlich fotografieren.

Anschließend darf ich ebenfalls eine kurze Runde mit dem edlen Stück drehen. Was für ein Erlebnis! Einfach wunderbar, wie weich und dennoch direkt der V2 am Gas hängt. Schon ab 1500 Touren dürfen die Schieber der 40er-Dellortos voll aufgerissen werden, und die Ducati MHR 1000 marschiert ohne Schluckauf mit Nachdruck voran. Mit steigenden Drehzahlen geht das dumpfe Grollen in ein hämmerndes Stakkato über, das süchtig macht. Bevor ich mich am geschmeidigen Lauf, der unerwartet komfortablen Federung und dem gar nicht so sturen Handling erfreuen kann, ist der kurze Proberitt leider schon wieder vorbei. Schade, ich hätte auch gern so einen „Vogel“. Urs und Gerold lächeln, als könnten sie meine Gedanken lesen.

Doch diese Hommage an Taglioni war schon damals eher etwas für solvente Enthusiasten, die „GV Classic Limited Edition“ kostete bei der Auslieferung ab 1989 immerhin 34.500 Franken. Ein Preis, den so mancher Schweizer Ducati-Fan wegen des vermeintlich überschaubaren Umbauaufwands als Provokation empfand, was sich einst in bissigen Leserbriefen entlud. Heute dürften sich einige dieser Leserbriefschreiber eher ärgern, weil sie damals nicht „zum überhöhten Preis“ zugeschlagen haben. Wie bei Königswellen-Ducatis üblich ist natürlich auch der Wert von Gerold Vogels 25 raren Stücken stark gestiegen. Weshalb ich mir die Kreditanfrage bei meinem Banker sparen kann.

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