Seit 450 Jahren ein Spezialist für Glas

2022-07-09 04:23:59 By : Mr. JianGuo Li

Auf der sogenannten Ofenbühne arbeiten insgesamt sieben Glasmacher. Die Abläufe sind fein choreographiert. Jeder Handgriff sitzt. (Foto: Jädicke)

Seit 450 Jahren ein Spezialist für Glas

1568 erwarb Joachim Poschinger die Zadlershütte bei Frauenau – heute stellt die Familie Poschinger noch immer Glas her nach alter Tradition und in Handarbeit

Heiß, zähflüssig wie Honig und glühend rot-orange. Der Glasschmelzer hat die Mischung aus Quarzsand, Potasche, Soda und Kalk schon um Mitternacht angesetzt. 1500 Grad Hitze haben bis zum Morgen daraus eine gefügige Masse gekocht. In drei glühenden Öfen. Jeder für eine Farbe. Durch die Ofenhalle der Freiherr von Poschinger Glasmanufaktur wabert Wasserdampf. Es richt nach Feuer und verbranntem Buchenholz. Wenn der Glasmacher morgens um 6.30 auf der Ofenbühne an den Ofen tritt, wird aus einem archaischen Rohstoff ein filigranes Werkstück. Es geht um Präzisionsarbeit. Um das Gespür für den richtigen Zeitpunkt. Die wohldosierte Menge Atemluft und den richtigen Dreh. Minuten und Sekunden entscheiden darüber, ob das Glas gelingt. Seit 450 Jahren. Im immer gleichen Rhythmus, den allein der Werkstoff bestimmt.

Benedikt Freiherr von Poschinger, holt etwas frisches Glas aus dem Glashafen. So nennt man die feuerfesten Schamott-Tiegel, in denen die noch immer mehr als 1200 Grad heiße Schmelze auf Temperatur gehalten wird. Ihren Namen haben sie nicht aus der christlichen Seefahrt, sondern vom bayerischen Wort Haferl für einen zylindrischen Kochtopf. 15 verschiedene Farben werden dort an unterschiedlichen Tagen eingeschmolzen. Kristall, Kirschrot oder Montanblau. Für das Foto hat sich der ruhige Mittvierziger in Position gestellt. Er könnte jetzt die Glaspfeife ansetzten, tief Luft holen und..., ja. „Aber das Glas machen hier nur meine exzellenten Glasmacher“, sagt er. Die Geschicke der Manufaktur aber, leitet der „Glasbaron“ höchst selbst. In der 15. Generation und wie auch seine Vorfahren mit den ganz eigenen Herausforderungen seiner Zeit. Die Freiherr von Poschinger Glasmanufaktur ist Deutschlands älteste Glasmanufaktur und die älteste der Welt, die durchgängig in Familienbesitz ist. Sie hat Fürsten und Zarenhäuser beliefert und ist bis heute berühmt für ihr Jugendstilglas. Das gewaltige Erbe seiner Familie drückt ihn nicht. „Es spornt mich an“, sagt Benekikt Poschinger später im Gespräch zwischen unzähligen Unikaten, die das Haus heute anfertigt. Als Ende der 1990er-Jahre das große Glashüttensterben im Bayerischen Wald begann, wurde es auch für Poschinger schwierig. Wenn er die Familientradition fortführen wollte, das war ihm klar, gab es nur eine Lösung. „Den Rückzug in die Nische“, sagt er. Heute ist Poschinger eine der wenigen Manufakturen, die Glas-Sonderanfertigungen auf höchstem Niveau herstellen. Für weltweit bekannte Modefirmen, Hotels und Luxusausstatter wie Louis Vuitton, Escada, Robbe und Berking oder die Münchner Designmöbelhersteller ClassiCon. Sie alle ordern, auch Privatpersonen, wenn es ein Unikat sein soll, spezielle Entwürfe von Designern wie Sebastian Herkner oder Repliken für Museen wie Goethes Wasserglas.

Inzwischen ist der Baron, wie ihn die alten Damen in Frauenau noch gerne nennen, von der Ofenbühne herunter gekommen. Im Sommer steigen die Temperaturen dort auf mehr 52 Grad Celsius an. „Na, ja“, sagt er auf die Frage, was er denn von der Anrede „Baron“ halte. Natürlich freue er sich darüber. Eine Rolle aber spiele sie für ihn nicht. Jede Poschinger-Generation muss ihre eigene Leistung bringen“, sagt er ganz und gar uneitel. „Das gilt auch für mich.“ Die Glasmacher auf der Ofenbühne nennen ihn Benedikt. Es geht ruhig zu, entspannt und familiär. Jeder kennt hier seinen Wert. Der Chef, wie die Glasmacher, von denen viele aus Osteuropa kommen. „Es ist nicht einfach so gute Handwerker zu finden, sagt Poschinger. Wer nicht auf der Bühne arbeitet, bleibt besser fern. Die Abläufe sind fein choreographiert. Jeder Handgriff sitzt. An den drei Glashäfen, in denen unterschiedlich farbige Glasmasse glüht, arbeiten insgesamt sieben Glasmacher. Im Minutentakt tritt einer nach dem anderen an einen Hafen. Mit der Glaspfeife entnimmt der Glasmacher eine kleine Menge aus dem heißen Glas. Kurz wälzt er sie auf einer Eisenplatte hin und her. Jetzt formt er durch wohldosiertes Blasen eine kleine Hohlkugel, das so genannte „Kölbl“. Mit der dünnen Pfeife, die bereits die Römer vor 2000 Jahren erfunden haben, kann der Glasmacher immer nur eine kleine Menge Glas aus dem Hafen entnehmen. Zuwenig für ein großes Gefäß wie den Tischfuß für ClassiCon. Das „Kölbl“ vergrößert er deshalb nach und nach durch das so genante „Überstechen“. So fügt sich Schicht um Schicht hinzu, bevor der Glasmacher die ausreichend große gelb-orange glühende Glaskugel in eine Holzform, das „Modl“, einbläst.

Das erfordert Fingerspitzengefühl und Erfahrung. Das Glas darf nicht zu heiß sein, weil es sonst „abläuft“. Es darf aber auch nicht zu kalt sein, damit es nicht zu früh erstarrt. Zwei Glasmacher fertigen in konzentrierter Zügigkeit einen dieser Tischfüße. Einblasen und drehen Sie wechseln sich ab. Viel Zeit bleibt ihnen nicht. „Den Arbeitsrhythmus bestimmt das Glas“, sagt Poschinger. Am Nachmittag um 15 Uhr endet die anstrengende Arbeit der Glasmacher. Bis dahin ist der Abkühlofen gut gefüllt mit zerbrechlichen Objekten. Ihre Eingangstemperatur liegt noch immer bei 500 Grad. Bis Tischfüße, Karaffen, Vasen und Gläser vollständig ausgekühlt sind und veredelt werden können, vergehen Stunden. Danach erst wird überschüssiges Glas „agbesprengt“, mit einem Safier-Schneider und einer Bunsenbrennerflamme und schließlich geschliffen, poliert, bemalt, verpackt und versandt. 28 Mitarbeiter arbeiten heute bei Poschinger. Für ein Glas wirken viele Gewerke zusammen. Jedes Stück ist Handarbeit. Von der Ideenskizze bis hin zu den Holzformen aus Buche. In der Werkstatt von Holzformendreher Miro Chalubach duftet es säuerlich und würzig nach Holz. Nach Augenmaß, aber millimetergenau e dreht er seit mehr als 23 Form aus den Holzblöcken. Das Holz für die Negativformen wird in den eigenen Wäldern geschlagen. Sie reichen vom Arber bis zum Lusen.

Der Bayerische Wald ist eines der waldreichsten Mittelgebirge Deutschlands. Neben dem Holz liefert er auch alle anderen Rohstoffe, die für die Herstellung von Glas notwendig sind. Nur Kalk und kleine Mengen seltener Erden für das Farbglas werden aus anderen Regionen importiert. In den Anfängen wurden mit Holz gefeuert. Die Hütten wurden mitten in den Wald gebaut. Ging das Holz zur Neige „war der Ofen aus“ und die Wanderhütte zog weiter. 1870 kam die Eisenbahn und mit ihr die Kohle in den Bayerischen Wald. Mit ihr wurde nicht nur das Temperaturmanagement im Ofen leichter. Durch sie wurden die Hütten sesshaft. Auch die Vorfahren des Glasbarons zogen mit mobilen Waldglashütten, entlang der bayerisch-böhmischen Grenze von Ort zu Ort. Als Joachim Poschinger am 10. Juli 1568 das Glashüttengut Zadlershütte bei Frauenau erwarb, legte er den Grundstock für die heute älteste Glashütte der Welt und die außergewöhnliche Geschichte der Freiherr von Poschinger Glasmanufaktur. Die heutigen Gebäude stammen aus dem Jahr 1870. Die Geschichte des Glases aber geht weit in die Geschichte der Menschheit zurück. Seit mehr als 5000 Jahren fertigen die Menschen Glas. Sieben Jahrhunderte davon im Bayerischen Wald. 450 Jahre in der Freiherr von Poschinger Glasmanufaktur. (Flora Jädicke)

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