ZEIT ONLINE

2022-07-15 21:15:56 By : Ms. coco dong

Ein letztes Mal wird die mehrfach ins sich verschlungene Glasröhre in die blaue Gasflamme gehalten und korrigiert. Jetzt ist auch ein Schriftzug erkennbar – der Name eines Gastronomiebetriebs. Mehrere Stunden Arbeit stecken in der filigranen, aus dünnwandigem Glas bestehenden Leuchtreklame, die später die Außenfassade eines Restaurants zieren soll. Hergestellt werden solche Werbegegenstände von Leuchtröhrenglasbläsern.

Am Anfang jeden Auftrags steht das Beratungsgespräch mit dem Kunden. Was für eine Leuchtreklame soll es sein, welche Schriftart soll sie haben? Soll sie nur aus Buchstaben oder auch Figuren, Formen bestehen? Knackpunkt dabei oft: Lässt sich das Firmenlogo aus Glas blasen?

Sind die Einzelheiten geklärt, fertigen die Glasbläser erst einmal detaillierte Skizzen und technische Zeichnungen an, in denen die genauen Formen und Proportionen sowie die Maße festgehalten sind. Für die Herstellung werden in der Regel vorgefertigte Glasröhren oder Glaskolben verwendet. Sie werden angeritzt oder erhitzt und nach dem Abkühlen an der vorgesehenen Stelle gebrochen und so auf die gewünschte Länge gekürzt.

Anschließend wird der Glaskörper mit einem speziellen Glasbrenner dort erhitzt, an dem er gebogen werden soll. Bei Bedarf blasen die Leuchtröhrenglasbläser das Glas auf, um den Durchmesser, etwa an einer Biegung, zu erweitern. Mit viel Feingefühl, Geschick und Erfahrung können so selbst komplexe Formen, Buchstaben und Logos gestaltet werden.

Ist die gewünschte Form erreicht, geht es an die Füllung. Durch sie wird der gewünschte Leuchteffekt erzielt. Man muss dafür viel über die Eigenschaften von Edelgasen wissen, denn diese erzielen die verschiedenen Farbeffekte. So leuchtet etwa Helium weißrosa, Neon wiederum orangerot,  Stickstoff gelbrosa und Argon rosa. Bei Neon mit Quecksilberdampf wird ein grünes und bei Argon mit Quecksilberdampf ein blaues Leuchten erzeugt.

Schon mal einen Kampfmittelräumer oder einen Bird Controller bei der Arbeit erlebt? Jede Woche stellen wir einen ungewöhnlichen Job in unserer Serie Beruf der Woche vor.

Sie üben eine ungewöhnliche Tätigkeit aus oder kennen jemanden, der der Letzte seines Standes ist, einen neuen Beruf erfunden hat oder einen unbekannten Job ausübt? Dann schreiben Sie uns und wir stellen Sie und Ihren Job bald in der Serie vor!

Alle Folgen zum Nachlesen gibt es hier!

Die besten Folgen können Sie auch als E-Book kaufen: www.zeit.de/ebooks.

Bevor die Leuchtröhren jedoch mit Edelgasen befüllt werden können, muss ein Vakuum erzeugt werden, die Luft also abgesaugt werden. Und außer durch Edelgase können die Leuchteffekte auch mit speziellen Beschichtungen im Inneren des Glases erreicht werden. Dazu werden die Innenseiten von farbigen Leuchtröhren beschichtet, so dass ein Argon-Quecksilber-Gasgemisch zur Fluoreszenz angeregt wird. Damit eine Leuchtröhre aber überhaupt Licht abgibt, ist zusätzlich Elektrizität nötig. Also schmelzen die Glasbläser jeweils an den Enden der Leuchtröhren spezielle Elektroden ein, die für die Stromversorgung nötig sind. Die Elektroden, die einem kleinen metallenen Röhrchen gleichen, dienen gleichzeitig zum Auspumpen der Luft sowie zum Befüllen der Edelgase.

Für die Arbeit als Leuchtröhrenglasbläser sind eine gute Auge-Hand-Koordination sowie handwerkliches Geschick nötig. Auch Präzision, Geduld, ein gutes Augenmaß sowie Fantasie und Kreativität sind wichtig. Ein bestimmter Schulabschluss ist für den Beginn der dualen, dreijährigen Ausbildung nicht vorgeschrieben. Wer einen guten Hauptschulabschluss und Interesse an Physik, Chemie und Mathematik vorweisen kann, hat in der Regel gute Chancen. Und wie in jedem Handwerksberuf gilt auch hier: Man sollte geschickt mit den Händen sein.

Innerhalb der Ausbildung lernen die zukünftigen Leuchtröhrenglasbläser neben der Fertigung von individuell gestalteten Schriftzügen, Buchstaben, Formen, Figuren und Logos aus Glasröhren auch das Einbringen der Leuchtstoffschichten an den Innenwänden des Glases. Sie lernen, wie man die Elektroden einschmilzt und die oft kleinen Glasröhren auspumpt und befüllt. Außerdem steht auch die Reparatur von gebrauchten Leuchtmittelsystemen auf dem Lehrplan. Abgeschlossen wird die Ausbildung wird mit einer theoretischen und praktischen Prüfung.

Beschäftigungsmöglichkeiten bieten sich in auf die Herstellung von Leuchtreklame spezialisierten Industrie- und Handwerksbetrieben. Mit einigen Jahren Berufspraxis können sich Leuchtröhrenglasbläser zum Industriemeister oder –meisterin der Fachrichtung Glas oder zum Techniker oder zur Technikerin Fachrichtung Glastechnik weiterbilden. Schattenseiten finden sich in dem Beruf nur wenige. Neben der nicht ganz ungefährlichen Arbeit mit Hitze und Flamme sowie dem Werkstoff Glas ist es insbesondere der verhältnismäßig geringe Verdienst, der negativ auffällt. So liegt der Stundenlohn, abhängig vom Bundesland, in dem der Arbeitnehmer beschäftigt ist, zwischen 11 und 14 Euro brutto.

Davon einmal abgesehen bietet sich Berufsinteressenten eine abwechslungsreiche Tätigkeit, bei der Kreativität, handwerkliches Geschick und Präzision gleichermaßen gefordert sind. Die Arbeit ist selten eintönig, denn jede Leuchtreklame ist ein Unikat.

Bitte melden Sie sich an, um zu kommentieren.