ZEIT Arbeit

2022-07-22 21:16:14 By : Ms. Macy Chiang

Es sei ein unendlich Kreuz, Glas zu machen. So steht es an der Wand über Kurt Zalto, in braunen, antiquierten Fraktur-Lettern. Ein alter Zunftspruch, der für Zalto, 57 Jahre alt, Spross einer Waldviertler Glasmacherfamilie in sechster Generation, erdacht worden sein könnte. Stumm blickt er auf seine zwei Glasbläser, kräftige Kerle aus Tschechien, die zähe Schmelzmasse aus dem 1.200 Grad heißen Ofen holen, bedacht in die lange Glaspfeife pusten und den geschundenen Rachen dann mit Bier und Zigaretten versöhnen. So hart die Arbeit, so zart sind die Gebilde, die sie nach den Entwürfen ihres Chefs formen.

Gut 120 Glasmacher gab es einmal im Waldviertel. Heute ist Kurt Zaltos Waldglashütte ein fast museales Relikt, das Bustouristen nach Neu-Nagelberg, 130 Einwohner an der Grenze zu Tschechien, bringt. Doch das Kreuz, das Zalto trägt, ist nicht nur das eines Handwerks, das kaum mehr wettbewerbsfähig ist. Zaltos Kreuz ist sein Name.

Der Name steht in der eingefleischten Weinszene für ein Glas, das die Branche auf den Kopf gestellt hat. Leidenschaftlich disputiert das Kennertum über die Frage: Verkostet es sich besser mit Riedel oder mit Zalto? Der Weinkritiker Robert Parker schwärmt von den Waldviertler Kelchen, der aus Tirol stammende Sommelierstar Aldo Sohm wirbt als Markenbotschafter, und Edelrestaurants in aller Welt decken Zalto ein.

Aber Kurt Zalto, mit dem dieser Glasmythos begann, will damit nichts mehr zu tun haben. Noch dazu kann er seinen Namen nicht mehr verwenden für das, was er herstellt. Dahinter steckt das Zerwürfnis mit ehemaligen Geschäftspartnern: zwei Manager, früher im Vorstand des Schaumweinproduzenten Schlumberger, die auf Zaltos Glasentwurf stießen. Es stand damals nicht gut um seinen Betrieb, 2007 musste er Insolvenz anmelden. Dank der neuen Partner ging die Arbeit weiter, sein Weinglas wurde geschickt vermarktet und rasch zum vinophilen Must-have.

Doch schon 2009 verließ Zalto das Unternehmen im Clinch und überließ den Ex-Partnern Entwürfe und Markenrechte.

Wer woran Schuld trägt, lässt sich wie so oft in solchen Fällen nicht klar feststellen. Noch immer trennen Streitigkeiten vor Gericht die Zalto Glas GmbH und Kurt Zaltos Waldglashütte – und nur fünf Autominuten Entfernung. Drüben in Gmünd kümmert man sich um Vertrieb und Vermarktung der 30 bis 35 Euro teuren Zalto-Gläser. Produziert werden sie im Ausland, beworben mit der venezianischen Glasmacherdynastie Zalto, die ihr Können vor sechs Generationen ins Waldviertel brachte.

Hier, in der Waldglashütte, setzt Kurt Zalto diese Familientradition auf seine Art fort. Es läutet an der Tür der Verkaufsräume, in denen sich Vasen, Dekofiguren und Gläser im Stil der Wiener Moderne aneinanderreihen. Die Besucher bringen ein Glasservice der Großmutter mit, Becherchen mit Gravur und Goldrand, die meisten sind zerbrochen. Am Ende wird Zalto für die weit angereisten Kunden einige Kopien des Erbstücks anfertigen – es ist mehr ein Gefallen denn ein Geschäft.

"Uns interessiert nicht so dieses klassische Unternehmertum, die Markenbildung, sondern das Schöpferische. Wir wollen kreativ arbeiten", sagt Zalto. "Uns" meint den Familienbetrieb, in dem seine Frau und sein Sohn mit von der Partie sind, und seine Glasbläser, -graveure, -schleifer, -maler.

Auf einem vergilbten Foto im Verkaufsbereich lächelt Margaret Thatcher von der Wand, im Kreise der Familie Zalto, mit einem aufwendig gestalteten Becher in der Hand. Auch die ehemaligen Bundespräsidenten Rudolf Kirchschläger und Franz Jonas blicken von Fotos entgegen: Erinnerungen an eine Zeit, in der die Zaltos an hohe Besuche gewöhnt waren und an die hohe Nachfrage nach ihren zerbrechlichen Meisterstücken.

Abend für Abend saßen Kurt Zalto und sein Vater in der warmen Stube und zeichneten: eine Kindheitserinnerung, die Zaltos Augen hinter den Brillengläsern aufleuchten lässt. In der Fachschule Kramsach in Tirol lernte er Glasdesign und -gravur, ging als Praktikant in den bayerischen Wald zu einem damals großen Glasbetrieb und kehrte 1979 zurück zur Familie ins grenznahe Niemandsland.

Die Geschichte des ultimativen Weinglases beginnt Anfang der 2000er Jahre. Zalto selbst ist allerdings kein großer Trinker. Als Jugendlicher hat er alle Energie auf dem Tennisplatz ausgelebt, "Ich verlier nicht gern", sagt er und wirkt auf einmal gar nicht mehr so zugeknöpft. Der Preis, kaputte Bandscheiben, die ihm zu schaffen machen, egal.

"Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zu groß werden und zu viele Dinge machen", findet Kurt Zalto heute. Rechte am Namen seiner Familie hat er nun mal verloren, jetzt geht es um das, was er behalten kann: "Mich interessiert, dass unsere Techniken nicht verloren gehen."

Da hat er recht. Klein und überschaubar, so kann feines Kunsthandwerk zwischen all dem Marketinggedöns vielleicht überleben. So ein Kunsthandwerk ist auch Kulturerbe und müsste entsprechend gefördert werden.

„… so kann feines Kunsthandwerk zwischen all dem Marketinggedöns vielleicht überleben.”

Handarbeit hat ihren Preis. Und die Kunden dafür findet man nicht am Straßenrand. Also geht – in dem Fall – ohne Marketing nichts. Mit dem Verkauf vor Ort wird das Geschäft nie funktionieren, so ein Produkt braucht die gut betuchte Kundschaft in Amerika und Asien. Auch geht das nicht mit dem Verkauf von Gläsern in homöopathischen Dosen. Exklusivität ja, aber nur mit 100 Gläsern im Jahr, lässt sich sowas nicht stemmen.

Wo das Marketing dann zum Gedönse wird mag die Frage sein. Allerdings ist die Wein-Branche für mich nun nicht gerade eine, die sich durch wenig Gedönse auszeichnet.

Zum Stichwort Kultur: Industrialisierung und Massenproduktion sind schon seit ein paar hundert Jahren Teil unserer Kultur, was nicht gleichbedeutend ist mit billiger Wegwerfware. Nur mit Kunsthandwerk würden wir alle Hunger leiden. Schön dass es das gibt, aber die Realität ist eine andere, jenseits der romantischen Verklärung. Das Konzept „feines Kunsthandwerk” wird nur für wenige Zukunft haben.

Für mich ist die Tatsache, dass man sich heute für ein paar Euro ein ordentliches Glas aus industrieller Produktion kommt, ein Teil unserer Kultur. Damit haben Firmen wie Riedel ihren Teil zum Kulturerbe beigetragen, den man nicht gering schätzen sollte.

Nein, es muss kein mundgeblasenes Glas für 50 Euro sein, es muss auch kein Wein für 50 Euro sein.

Unkultur, das ist Prosecco aus Dosen.

Man mag mich töten: aber Kunsthandwerk, dass nur dadurch existiert, dass dessen Produkte nach Amerika und Asien verkauft werden, ist doch nur noch Disneyland und hat seine Daseinsberechtigung in meinen Augen verloren....

Sie meinen, Kunsthandwerk schöpfe seine Daseinsberechtigung aus der Nationalität der Käufer?

Ich finde das Glas ist sehr wichtig. Ich trinke jeden Tag Wein und ohne das passende Glas gehts nicht. Das Auge trinkt halt mit.

Ich finde das Glas ist sehr wichtig. Ich trinke jeden Tag Wein und ohne das passende Glas gehts nicht. Das Auge trinkt halt mit.

Mein Auge hängt manchmal schon, wenn ich trinke :-)

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