Zoigl: Ein Prosit der Gemütlichkeit - dhz.net

2022-07-15 21:18:13 By : Mr. Alex Zhou

Zoigl ist mehr als ein altes Oberpfälzer Kulturgut – bei dem Bier geht es um Gemütlichkeit. Ein Gefühl, dass schon während der Arbeit von Zoigl-Bierbrauer Wolfgang Scheidler spürbar wird.

Der kupferne Kessel drängt sich an die Wand des Kellergemäuers, lässt den Tischen und Stühlen Raum. Eine Treppe windet sich um den Tank nach unten. Das wenige Licht spiegelt sich in ihm, wird rötlich reflektiert und taucht die Gaststube in eine warme Atmosphäre. Die ist leer, still. Auf den ersten Blick wirkt der traditionelle Braukessel wie Dekoration. Doch dann steht dort Braumeister Wolfgang Scheidler mit seiner Auszubildenden und der jungen Brauerin, die ihn die nächsten Wochen im Urlaub vertreten wird. Er trägt einen dunklen Bart, Jeans, schwarzen Hoodie und Cap. Die beiden Frauen sind zierlich, eine zeigt Tattoos und Piercing. Gemeinsam haben sie sich zwischen Mauer und Braukessel gedrängt und spähen durch ein kleines, rundes Fenster in den Behälter. Sie haben die Augenbrauen zusammengezogen, die Blicke sind skeptisch.

An diesem Tag wollen sie neues Bier brauen, doch die Technik macht Probleme. "Ein Ventil war offen, dass nicht hätte offen sein dürfen", erklärt der 38-jährige Brauer. Seine Stimme hallt etwas in dem alten Gewölbe. Das Wasser ist jetzt vielleicht zu früh in den nächsten Kessel geflossen. "Im schlimmsten Fall müssen wir noch einmal von vorne anfangen", meint Scheidler mit ruhigem Ton, nur kurz verzieht sich sein Mund zu einem Strich. "So etwas passiert höchstens alle fünf Jahre." Ausgerechnet die Technik hat versagt. Dabei wäre der Mensch in einer Brauerei die größere Fehlerquelle – vor allem in einer so traditionellen wie dieser.

Scheidler arbeitet für die Gaststätte "Bräuwirt" in der Altstadt von Weiden in der Oberpfalz. In der Region gehört Bier zur Kultur, besonders der Zoigl. "Das Typische am Zoigl ist das Gesellige. Es kommt aus dem Mittelalter, als sich mehrere Bürger eine Brauerei geteilt haben. Sie konnten dort ihr eigenes Bier brauen und zuhause dann weiterverarbeiten und verkaufen. So wird es heute noch gemacht. Damit die Leute wussten, wo es Bier gibt, haben die Brauer in den Hausgiebel einen Stern als Zeichen gehängt. Daraus ist dann der Begriff Zoigl entstanden, altoberpfälzisch für Zeichen." Auch über dem Eingang des "Bräuwirts" hängt ein goldener, sechszackiger Zoiglstern.

"Mir gefällt das Gemütliche am Zoigl", sagt der Brauer. Aber da er traditionell günstiger verkauft wird als anderes Bier, ist es schwieriger damit wirtschaftlich zu arbeiten. Er soll für jeden sein – vom Bauarbeiter bis zum Arzt. Ein Zoigl schmeckt malzig, süßlich. Genau die Art Bier, die Scheidler mag und braut. Er kann in einer so kleinen Brauerei viel ausprobieren und eigene Rezepte kreieren. Seine Arbeit ist abwechslungsreich. Auch weil sie hier noch echte Handwerkskunst ist. "Zoigl wird oft noch mit Holzbefeuerung gebraut", erzählt er. "Und in Sudhäusern wie unserem sieht man das Bier auch noch, muss es schmecken und viel häufiger kontrollieren." Früher arbeitete er in einer moderneren Brauerei. Dort kommen Brauer kaum mehr in Kontakt mit dem Bier und analysieren viel im Labor. "Das haben wir hier nicht. Ich weiß erst in vier Wochen, wenn es fertig ist, ob das Bier etwas geworden ist und es schmeckt immer ein bisschen anders."

Zoigl ist eine ursprüngliche Brauform. "Es ist etwas das man erhalten muss", findet Scheidler. Er gibt sein Handwerk weiter und sagt, es seien wieder mehr, die sich für den Beruf interessieren. Er nickt in Richtung seiner Auszubildenden. Sie ist in ihrem Jahr eine von 50 Lehrlingen aus Nordbayern. Eine von sechs Frauen. Gerade klettert sie eine schmale Leiter zum Braukessel hinauf, um den Wasserstand in einem kleinen Glasrohr neben dem Tank zu kontrollieren. Sie wiegt den Kopf. Als nächstes folgt ein Blick ins Innere des Kessels. Die Aushilfsbrauerin schraubt die Verriegelung der Klappe auf der Oberseite des Tanks auf. "Vorsicht", warnt sie. "Heiß". Der Deckel klappt weg. Dampf steigt aus dem Kessel hoch, verschleiert den kupfernen Glanz des Kessels. Mit ihm verteilt sich ein süßlicher Geruch im Gewölbe. "Wie ein Malzbonbon", sagt die Brauerin. Der Inhalt ist unspektakulär: eine blubbernde, schaumige, braune Brühe. Sie gibt nicht viel Aufschluss über den Zustand des Biers. "Wir müssen jetzt abwarten, wie das Abläutern läuft", meint Scheidler. Heißt: Abwarten bis das Bier durch den Kessel gelaufen ist.

Die Drei stehen beieinander, beratschlagen sich über das beste Vorgehen. Wahrscheinlich verschiebt sich ihr Zeitplan. Im Sommer brauen sie alle sieben Tage Bier, im Winter seltener. Die meiste Zeit putzen sie. "Das Wichtigste beim Brauen ist Sauberkeit, damit kein Keim in das Bier kommt", erklärt Scheidler. "Manche sagen Brauer sind besser bezahlte Putzfrauen", lacht die Aushilfsbrauerin. Tatsächlich ist rund um den Kessel alles blitzblank. Die Fliesen glänzen. Der Boden ist frisch gewischt. Auch jetzt nutzt die Auszubildende die Wartezeit, um einen Gärbottiche zu schrubben, in dem dann Bier gelagert wird.

Die entspannte Atmosphäre in dem Kellergewölbe kann der technische Defekt nicht stören. Sollte es nichts werden, ist es vor allem schade um die Rohstoffe. "Malz ist besonders schlimm", meint Scheidler. Da herrsche momentan extreme Knappheit. Zum Glück sei aber die Gemeinschaft unter den Brauern stark, besonders unter den Zoiglbrauern. Konkurrenz gebe es nicht. Vielmehr helfe man einander. Trotzdem sagt er: "Kämpfen muss jeder. Das ist einfach so in der Gastronomie. Gerade Corona war für alle nicht leicht." Er musste damals Bier wegschütten. Das habe wehgetan. Jetzt geht es wieder bergauf. Vor allem der Zoigl wird von Jahr zu Jahr beliebter. "Es ist keine aussterbende Tradition", sagt Scheidler. "Eher im Gegenteil." Die Menschen mögen das Gemütliche. "Gerade der Oberpfälzer ist eigentlich grantig und mürrisch, aber beim Zoigl ist das egal", sagt der Brauer. "Man hockt sich einfach zu anderen an den Tisch und kommt immer ins Gespräch."

Die Lebensart zeigt sich auch beim Brauen. Als Scheidler schließlich eine Klappe unter an dem Kupferkessel öffnet, drängen sich die drei Brauer wieder in den engen Durchgang, beugen sich vor. Der Tank ist leer. Drei Mundwinkel wandern nach oben. Scheidler seufzt: "Glück gehabt."

Dieser Beitrag ist im Rahmen eines Reportage-Projekts des Master-Studiengangs Fachjournalismus und Unternehmenskommunikation an der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt entstanden. Kooperationspartner war die Deutsche Handwerks Zeitung.

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